Sabine Geierhos

Meine Skizzenbuchreise ist ein Zyklus, durch den ich den Dialog zwischen dem Inneren und dem Äußeren aufdecke. Ich zeige, wie ich Verbindungen schaffe und lade dich ein, dir selbst im kreativen Ausdruck zu begegnen.

Kapitel 5, das Ende

Die Gedanken kreisten um Finanzen während der Körper gewärmt den Berg Aufstieg. Es war auch kulinarisch ein anstrengender Morgen gewesen, nach einer unterkühlten Nacht und dem Gefühl von reservierten Alberguebesitzern kalkuliert behandelt zu werden. Ich fühlte mich abserviert und unerwünscht. Der Camino nimmt, der Camino gibt. Da tauchte mitten auf dem Weg die Oase, das „Haus der Götter“ auf. Sorgfältig zubereitet unter Kuchendeckeln waren Muffins umgeben von kleinen Vögel, die Krümel pickten und um die Orangenpresse flatterten. Wie aus einem Märchen entnommen, lud dieser friedliche Ort die Pilger ein, in Hängematten zu entspannen, an Kaffee und Tee sich zu wärmen und auf Spendenbasis zu bedienen. Diese Form der Fürsorge war unerwartet und doch ersehnt ließ unsere Seele sich dem Camino wieder hingeben.

Loslassen, verbinden, vertrauen

Der Wandel war vollbracht, der sich öffnende Raum verlief über wunderschöne Bergstränge, die in goldgelben Herbstfarben von der wärmenden Novembersonne erstrahlten. Der Körper war nun eingelaufen und mit gutem Schuhwerk ausgestattet. Nach Wochen des Laufens waren vielleicht nun tatsächlich alle Gedanken gedacht worden. Der Abstand zum Alltag geschaffen und jegliche Ablenkung durchbrochen. Alles war in die Gänge gekommen und Kopf wie Körper wollten richtig gehört werden. Auch Rilke war wieder Begleiter geworden. „Bin ich der betäubte große Wille, der starke Tanz im kleinsten Kreis? Bin ich in angespannte Stille? Das große Schweigen, die lange Stille.“ Phasenweise laufe ich immer wieder alleine, von unten geerdet. Irgendwas hat sich im System Mensch gesetzt. Ich spüre die Offenheit für den Raum.

Das Laufen hat mich getragen, wurde zum vertrauten Ritual tagein tagaus und selbst wenn Begegnungen berührten, zu engen Verbindungen wurden und deren Trennung mich verletzten und forderten, sie loszulassen. Bis ich selbst bereit war, zu verlassen. Anstrengend und mutig, und zugleich befreiend. Endlich hatte ich auch mal einen eigenen Weg eingeschlagen. Das Laufen auf dem Weg, das Prinzip einen Schritt nach den anderen zu setzen, machte diesen Prozess möglich. Ein Kreislauf an verbinden und loslassen, der nicht schmerzfrei ist, aber durch das ritualisierte Laufen zu Vertrauen in den Weg führte und zu einer inneren Haltung wurde. Es war gelebte Realität geworden. Die Begegnungen heilsam. Die Kontakte intensiver. Das Alleinsein verbundener. Auch das Malen entlang des Weges war zu einer Alltagshandlung geworden. Eine Beziehung, wie ein Gespräch zu meinem Umraum, dem ich damit zuzuhören schien.

War nun das Herz geöffnet? Die Kirchturmspitzen waren oft die ersten Anzeichen für ein kommendes Dorf, die Hoffnung auf einen Kaffee, damit fütternd. Mein Spanisch war nicht gut genug, um die Inhalte des Gottesdienstes zu verstehen. Wir nutzten die Kirche mehr als Ort kurz mit sich selbst einzuchecken, und sich selbst abzuholen. Auch war es immer ein Ort gewesen, der mich mit meiner Mutter verbunden hatte. Sie hatten die Liedtexte an die Wände projiziert. So sangen die Kirchenbesucher von geschlossenen Augen und offenen Herzen.

Es naht sich dem Ende zu. Die Tage, die der Camino noch andauern wird, werden weniger, als die, die man zurückgelegt hat. Ganz anders als die vorigen Ziele entlang der Strecke, war Santiago ein vertrauter Hafen. Die Kathedralen von Pamplona, Burgos und auch León waren wunderschöne Überraschungen entlang des Weges für mich gewesen. Die eintönige Meseta vor denen alle warnten, war ein Puzzlestück für diese berühmteste aller Strecken gewesen. Nicht nur mir war sie die Etappe gewesen, in der ich lernen durfte, um was es in dieser Reise für mich gehen sollte. Doch Galizien war die Kür. Irland mit besserem Wetter, schwärme ich noch immer meiner Mutter vor. Keltisch-grün, mit magischen Wäldern und Bäumen voll Moos. Dunkelheit und Licht im Wechsel. Das eigene Schweigen entdecken und einen würdevollen Abschluss finden. Das Ende des Caminos ist bereits ein Beginn in das weiter Leben. Raus aus dem Kopf in das Leben. Zeit zu schätzen. Draußen, drinnen, ohne Handy.

Anregungen für dich:

ANREGUNG I

Zeichne, male oder collagiere:

1. Was brauchen Kopf und Körper für dich – was hilft dir, dich wieder dem Leben hinzugeben? Was bist du eingeladen loszulassen, wo dich zu verbinden, zu vertrauen?

ANREGUNG II

2. Wie wertschätzt du Zeit, innen, außen, ohne Handy? Wo ist dein inneres Schweigen?

Skizziere, notiere, zeichne, male, klebe – gestalte eine Skizzenbuchseite oder ein Blatt Papier! Digital oder analog

Ich freue mich auf Rückmeldungen oder Gedanken über die sozialen Medien oder per Email.