Sabine Geierhos

Meine Skizzenbuchreise ist ein Zyklus, durch den ich den Dialog zwischen dem Inneren und dem Äußeren aufdecke. Ich zeige, wie ich Verbindungen schaffe und lade dich ein, dir selbst im kreativen Ausdruck zu begegnen.

Kapitel 5, die Belohnung

Hatte ich zuvor die These aufgestellt, dass die Caminomagie vom Kopf durch den Körper die Seele berührt, wurde ich von der Konzeption eines Mitpilgers angeregt: nach dem Körperlichen komme direkt das Mentale, bis der Raum sich öffnet. Einer Periode in der alle denkbaren Gedanken durchdacht werden folgt losgelöst vom sozialen Druck und den Stimmen des Alltags, eine Zeit, in der die Begegnung mit der Landschaft und sich selbst in ihr dieser offene Raum beginnt.

So folgte nach der Zeit der Gemeinschaft und den Projektionen auf sie die Offenbarung des eigentlichen Themas, das ich für diesen Camino nun abzulaufen hatte. Der Umgang mit der Krise des anderen war es, meine Schwierigkeiten damit, die Angst, die der Umgang hervorbrachte – das galt es abzulaufen. Und zwar langsam. Der Wind peitschte und verschluckte das Lauftempo und die Stimme. Die Meseta wollte nichts an Abwechslung für diesen Verarbeitungsprozess erlauben. Es war mein eigener Gang. Die Füße schmerzten, schwer das Herz. Hin und wieder konnte Musik die Seele trösten. Die Projektion meiner Mitpilger so offensichtlich, schenkte mir einer das Songzitat von Julian Casablancas: „Settle down, out of town, find a dream, shut it down (…) Show me what to say, show me what to be. Show me what to say, show me what to be.“. Ein anderer berichtete von seiner Trennung als Konsequenz zum Umgang mit der Krise. Da war sie, meine Verzweiflung.

Derweil der Rachen im Wind schmerzt, und die Tränen mit Henning May liefen. „ich hab es versucht, ich hab es wirklich versucht.“ Dann Rilke gelesen. „Die Blätter fallen. Fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; Sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. (…)“ Vor León dann noch ein Ritual, „Everybody hurts, sometimes“. In der Lust und Leichtigkeit findet der innere Teenager sich in den Liedtexten der 90er wieder. In León dann die Fürsorge. Endlich neue Schuhe, Jacke, Fußpflege aus der Apotheke.

Nicht nur die Füße atmen wieder. Die Gruppe findet sich erneut, es folgt die Aussprache und auch hier, sitzen staunen wir über das Weltwunder dieser Kathedrale. Im Regen bei Nacht mit Eifersucht und heimlichen Leidens. Doch wir ziehen weiter. Diesmal lassen wir sie zurück. Es wird das letze Mal gewesen sein, dass wir uns sehen. Auch wir brauchen Abstand voneinander. Auch der Körper reagiert auf zu wenig nahrhaftes Essen. Kollabiert und sucht im Zurückbleiben nach Fürsorge. Und dann findet scheinbar unbemerkbar der Wechsel statt.

Verzweiflung erlauben

Ein Hospitalero hat seinen ersten Tag, wünscht ein Foto oder ein Pelegrino, der nun an mir haftet. Ist es zu Beginn anders als mittendrin? Wann haften wir nicht mehr an? Auf dem Weg begegnet mir eine aufgerichtete Schlange. Es ist weiterhin schmerzhaft, den anderen leiden zu sehen. Doch der Wechsel kündigt sich an. Ich unterdrücke die Verzweiflung nicht mehr. Sie läuft jetzt mit. „You ask me to stay. But there is a million reasons to leave (…)“. Der Raum hat sich geöffnet wieder in ein wachsendes Vertrauen hinein.

Anregungen für dich:

ANREGUNG I

Zeichne, male oder collagiere:

1. Welche Liedtexte berühren dich derzeit, helfen dir, deinem inneren Teenager zu erlauben, deine Verzweiflung zu spüren?

ANREGUNG II

2. Wie sieht der Raum heute für dich aus, der dich einlädt, sich hinzugeben, und mehr zu vertrauen?

Skizziere, notiere, zeichne, male, klebe – gestalte eine Skizzenbuchseite oder ein Blatt Papier! Digital oder analog

Ich freue mich auf Rückmeldungen oder Gedanken über die sozialen Medien oder per Email.