Meine Skizzenbuchreise ist ein Zyklus, durch den ich den Dialog zwischen dem Inneren und dem Äußeren aufdecke. Ich zeige, wie ich Verbindungen schaffe und lade Sie ein, sich selbst im kreativen Ausdruck zu begegnen.
Kapitel 2, das Überschreiten
Die Reise ins Ungewisse begann nicht nur, weil ich alleine loslaufen musste, sondern auch weil Ende der Saison viele Unterkünfte bereits geschlossen warn, und ich mehr Kilometer zurücklegen musste, als ich wollte. Erste Begegnungen mit anderen Pilgern fanden vage statt, vornehmlich reserviert, erst viel später, führte der Camino uns zusammen. Eine solche Begegnung fand mit einer Italienerin statt. In ihrem süditalienischen Dorf spielte man ähnlich wie in Spanien mit den lebensgroßen Heiligenstatuen in der Osterwoche die Passion Christi mit Schauspielern nach. Dabei berichtete sie von dem faszinierenden Detail, das in der Inszenierung kurz der der Kreuzigung, Jesus zu seiner Mutter Maria laufen möchte, diesem der dann von einem lebensgroßen Kreuz unterbrochen wird. Die Integration Marias in die Szene war mir neu, und ließ mich als katholisches „Bedürfnis“ schmunzeln.
Ich verbrachte viele Stunden alleine und folgte Bobs Empfehlung, den Umweg zu dieser wunderschön romanischen Kapelle zu bestreiten. Dort saß ich mehrere Stunden und skizzierte in mein Skizzenbuch die erste Vor-Ort-Zeichnung mit Aquarell. Durch die Erfahrung studierte ich die faszinierenden Gesichtsausdrücke der Köpfe unterhalb des Fries der Krypta. Eine Vielzahl an menschlichen Emotionen waren dargestellt und schienen den mir vertrauten Wechsel an Leichtigkeit und dem Gefühl des Verlorenseins aufzugreifen.

Lust, Leichtigkeit und Verloren sein
Mitten im Gespräch hörte ich Gitarrenklänge, lief noch ein Stück, rief ihnen zu, ob sie zu der selben Albergue gehen würden? Sie verneinten. Ich unterbrach das Gespräch, und ging querfeldein auf den Hügel, auf dem sie saßen. Ich war dem Impuls gefolgt der Musik zu folgen. Während ich eine Weile mit leichtem Abstand begann die Szenerie in meinem Skizzenbuch festzuhalten spürte ich die Welle an Leichtigkeit und Lust dem Gefühl des Verloren seins weichen. Das Malen war zur Methodik des sich erdens geworden. Zugleich war meine neue Bekanntschaft von ähnlicher Mixtur aus radikaler Offenheit mit Tiefgang und einer lustgeführten Leichtigkeit geprägt. Wir sollten uns ab hier mehrfach trennen und wieder begegnen.
Sie waren zum Sinnbild geworden, an Freiheit und einer Mischung aus Vagabunden- und in-den-Tag-hinein-leben. Und damit mehrfach als Referenz und Symbol in Gespräch mit Pilgern geworden, die sich in ihren eigenen Lebensentwürfen mit dem Scheitern, mit beendeten Arbeitsverhältnissen und Beziehungen auf ihren eigenen Camino gemacht haben. Als gelebter Ausdruck einer Sehnsucht nach Freiheit und mehr Selbstbestimmung, danach, dem gesellschaftlichen Druck zu entkommen und aus der Gemeinschaft Kraft zu erhalten.

Gemeinschaft und Mission
Es war die erste Donativo-Herberge gewesen, in der wir – mittlerweile eine internationale Gruppe – auf Spendenbasis beim gemeinsamen Abendessen „Ultreia“ lernten, lasen und sangen. Wir sprachen, lasen und hörten das Pilgergebet in 7 verschiedenen Sprachen. „Go beyond“. Geh hinüber, über den eigenen Horizont wachsen, bestreite noch unbekannte Wege zuversichtlich. Dies war es, was „Ultreia“ mir, uns, mitgab. Wir lernten von der walisischen Freiwilligenarbeiterin, wann sie ihren Ruf gehört hatte. Und es brachte in mir weitere Anregungen in Gang, über meinen eigenen Ruf nachzudenken. Hier formte sich der klare Gedanke, einer Mission. Das es vielleicht meine Aufgabe sei, meinen eigenen Reifungsprozess als Mensch im wachsen in meiner Kunst auszudrücken und dadurch anderen Inspiration zu geben, sich selbst durch die Kunst zu begegnen.
Camino Weisheit
Ein fiktives Gespräch zwischen zwei alten Hasen des Caminos. Bob, meinem großen Bruder und Buchautor und José-Luis, der seit Jahren eine Donativo-Albergue auf dem Camino betreibt.
José-Louis: „Um auf dem Camino einen inneren Prozess zu beginnen, braucht es 6 Dinge: Stille, Ruhen, Zuhören, Flexibilität, Einsamkeit und das Gehen nach Santiago de Compostela. Dabei ist jede Vorstellung von vorbestimmter Idee eher hinderlich, wie auch jede Idee eines Labels, da sie den Prozess des sich Öffnens zu dem, was der Camino einem mitgeben möchte, eher hindern kann. Alles ist vorbestimmt. Ja, eine fatalistische Vorstellung. Die Einladung des Caminos liegt darin, sich dem hinzugeben und auch ins Vertrauen zu kommen. Schließlich kann man sich ein bisschen zurücklehnen und entspannt darauf vertrauen – man wird schon an sein Ziel kommen.“
Bob: „Der Camino kann aber auch in eine Lebensaufgabe, dem Magnum Opus, münden. Wie einem Labyrinth gleich, kann durch den Weg, sich diese Aufgabe dem einzelnen Individuum offenbaren. Der Camino als an die Milchstraße angelehnter Sternenweg, der nicht alles vollständig vorgibt. Eher einlädt die Lebensaufgabe in das eigene Leben zu integrieren. Womit er eine aktive Beteiligung am Prozess fordert.“
Der Camino hat mir seine ersten Fragen zugeworfen. Ich beginne über die unfertigen Prozesse zu sprechen. Was gilt es loszulassen, was zu betrauern?
Anregungen für dich:
ANREGUNG I
Zeichne, male oder collagiere:
1. Welche ersten „Empfehlungen“ hörst du, Orte, die auf dem neuen Weg aufzusuchen sind?
ANREGUNG II
2. Nach dem Lustprinzip – wohin zieht es dich?
Skizziere, notiere, zeichne, male, klebe – gestalte eine Skizzenbuchseite oder ein Blatt Papier! Digital oder analog!
Ich freue mich auf Rückmeldungen oder Gedanken über die sozialen Medien oder per Email.