Sabine Geierhos

Meine Skizzenbuch-Reise dient als Zyklus, anhand dessen ich den Dialog zwischen mir und der Welt sowie meine Aneignung dieser an konkreten Themen veranschauliche. Dabei zeige ich zum einen, wie ich Brücken baue, und zum anderen lade ich dazu ein, sich selbst im kreativen Ausdruck zu begegnen.

Kapitel 3, die Schwelle überschreiten

Ich saß da und betrachtete alte Kinderfotos von mir. Mit jedem Bild versuchte ich, eine mitfühlende Haltung einzunehmen, wie es die Übung empfahl, der ich folgte. Diese Übung sollte meinen verletzten Anteilen einen sicheren Ort bieten, um sich zu öffnen. Während ich mir die Zeit nahm, die Bilder zu betrachten, wurde mir bewusst, wie verletzlich, mutig und liebevoll ich als Kind war. Dieses Mitgefühl wuchs in mir, angeregt durch das Foto.

Den Text, den ich betrachtete, hatte ich geschrieben, als ich ein Wochenende alleine in der Wildnis von New Mexico verbracht hatte. In dieser Abgeschiedenheit bemühte ich mich, meine Projektion auf die Heldenreise der Tiere zu erkennen und als Vorlage für meine eigene Geschichte zu nutzen. So setzte ich die Puzzleteile meiner Biografie Stück für Stück zusammen.

Dabei nutzte ich die studierten und genutzten Farben der Naturstudien von Himmel und Meer für diese gestalteten Seiten. Als ob ich damit mir eine Art Rückhalt und Mut zusprach.

Mitgefühl entwickeln

Das Zeichnen mit meiner nicht-dominanten Hand verwandelte sich in einen faszinierenden Ausdruck, eine Bewegung der Hand, die auf dem Papier eine grafische Spur hinterließ und scheinbar neue Formen und Bewegungen erschuf. Auch das Schreiben mit dieser Hand wurde zu einer inspirierenden Übung. Ich hatte gelesen, dass diese Technik Wege der Selbsterforschung öffnen und zugleich die Kreativität anregen könnte. Das nachdem mit der nicht-dominanten Hand gezeichnet oder gemalt wurde, die daraufhin genutzte dominante Hand sich “besser” ausdrücken könnte. Besonders spannend fand ich, wie dabei neue Formen entstanden und der direkte Gestus, der sich in diesen spontanen Linien zeigte.

Wer bist du?

Und in der Kombination meiner Farbforschung, dem Erkunden dessen, was mir meine Umgebung bot und der Stimme in mir, die sich ausdrücken und mir sichtbar gemacht werden wollte, in Schrift und Sprache mit der nicht-dominanten Hand das Bild eines Gegenübers entstand, dem ich Respekt und Interesse entgegenbringen konnte – füllte sich mein Skizzenbuch und ich war neugierig geworden, wer das war, also welcher Teil in mir, und was er mir zu sagen habe, der sich da zeigte. Mindestens ein Jahr später hatte eine andere Künstlerin meine Skizzenbücher durchblättert und ich aufgefordert sie zu teilen. Ich hatte sie erst gar nicht so ernst genommen.

Die Schwelle überschreiten

Die Schwelle, die vor mir lag, erforderte einen mutigen Schritt: Ich musste mich von meinem eigenen kritischen Urteil verabschieden.

Als Künstler lernte ich, diesen Teil meiner selbst immer mehr zu schätzen. Ich erkannte den Gestus darin als eine wertvolle Inspirationsquelle für die Selbsterforschung und als künstlerische Übung, die andere Gehirnhälften stimulieren konnte. Statt die perfekte Form anzustreben, ging es dabei mehr um den Ausdruck, der sich in meinen Bewegungen manifestierte.

Ein anderer Teil lag auch an der Emanzipation dessen, dem immer wieder neu in Frage stellen, was für mich Kunst bedeutete. Dem Weg, der sich mir zeigen wollte, immer wieder neu mit Offenheit entgegenzutreten und den Mut zu haben, sich damit zu zeigen.

Bezüge zur Serie „Körper“

Die Serien “Körper” (VIII), “Intuition” (X, XI) and “Gehalten sein” (XIV, XV) erkunden die Wechselwirkung dreier Bereiche des Menschseins in der Welt.

Auch als Halt und Trost spendend verknüpft sich diese Farbgebung und „Traumfänger“ (VIII) und „Beelterung“ mit der Gestik einer Hand, welche einen Kopf hält, und damit eine Umarmung als figuratives Motiv aufgreift, (…)

Anregungen für dich:

ANREGUNG I

Zeichne, male oder collagiere:

Suche dir ein Kinderfoto heraus und übe diesem Mitgefühl entgegen zu bringen. Notiere deine Erfahrung mit deiner nicht-dominanten Hand.

ANREGUNG II

Erlaube diesem Teil weiter sich auszudrücken.

2. Stelle folgende Fragen: wer bist du? Wie fühlst du dich? Warum fühlst du dich so? Was kann ich für dich tun? Was brauche ich von dir? Antworte mit der nicht-dominanten Hand.

Skizziere, notiere, zeichne, male, klebe- gestalte eine Skizzenbuch-Seite oder auf einem Blatt Papier! ! Digital oder analog!

Ich freue mich über Feedback oder Gedanken via Social Media oder Email.